Trost in Jesus Christus

 

Trost in Jesus Christus

Jetzt ist es schon ein Dreivierteljahr her, dass ihr Mann gestorben ist. Im Advent und an Weihnachten hat sie sich zusammengerissen, damit ihre Töchter nicht gespürt haben, wie schlecht es ihr immer noch geht. An Sylvester haben ihre Freundinnen versucht, sie aufzumuntern. Aber dieser Frühling jetzt rüttelt an ihren Nerven. Bisher hat sie sich immer gemeinsam mit ihrem Mann über die ersten Schneeglöckchen gefreut. Ihr Liebster hat zusammen mit ihr über die neuen Triebe an den  Rosenstöcken gestaunt. Zu zweit haben sie vor den Osterglocken gestanden und das neue Frühjahr begrüßt. Und jetzt ist er tot. Warum wird ihre Trauer nicht leiser? Eigentlich ist sie doch immer so tapfer. Eigentlich ist sie stark. Aber die Leere in ihrem Bett und am Küchentisch machen sie fix und fertig.

Letztens ist sie spazieren gegangen. In Richtung Dorfkirche ist sie gelaufen und hat hoch geschaut zum gedrehten Turmhelm. Da ist ihr das Kreuz aufgefallen, an der Spitze des Turmes. Und da ist ihr durch den Kopf geschossen: „Ich bewege mich im Kraftfeld von diesem Kreuz!“ und: „Ich stehe unter dem Schutz Jesu Christi.“ Sie läuft weiter und läuft und läuft, und immer wieder tauchen diese Worte in ihr auf, wie ein Echo: „Ich bewege mich im Kraftfeld von diesem Kreuz!“ und: „Ich stehe unter dem Schutz Jesu Christi.

Liebe Geschwister! Im Predigttext für heute geht es um Trost. Er steht im 2. Korintherbrief, 1,3-7

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in all unserer Bedrängnis, damit wir auch trösten können, die in allerlei Bedrängnis sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden von Gott. Denn wie die Leiden Christi reichlich über uns kommen, so werden wir auch reichlich getröstet durch Christus. Werden wir aber bedrängt, so geschieht es euch zu Trost und Heil; werden wir getröstet, so geschieht es euch zum Trost, der sich wirksam erweist, wenn ihr mit Geduld dieselben Leiden ertragt, die auch wir leiden. Und unsre Hoffnung steht fest für euch, weil wir wissen: Wie ihr an den Leiden teilhabt, so habt ihr auch am Trost teil.

Das Kreuz ist das Symbol des christlichen Glaubens. Jede Generation muss das Symbol neu mit Leben füllen. In einem Glaubensbekenntnis aus Kanada heißt es: „Im Kreuz trägt Gott Kummer und Leid dieser Welt.“ Das ist schön formuliert, finde ich. Das klingt nach einem echten Trost. Das Kreuz besteht aus zwei Achsen. Eine verbindet Himmel und Erde miteinander. Ich stelle mir vor, dass Gott von oben her Kraft und Zuversicht herunter fließen lässt in Richtung der Menschen, die dringend getröstet werden müssen. Zu Menschen, die im Sterben liegen. Zu Leuten, die verzweifelt sind und vor Kummer nicht ein noch aus wissen. Aus Gottes Dimension fließt Trost herunter zu Jugendlichen mit Liebenskummer und zu Erwachsenen, die bitter enttäuscht worden sind. Aber durch den senkrechten Balken kann auch Energie von unten nach oben geschickt werden. Gebete der Sorge können durch das Kreuz von unten hoch gesandt werden. Stoßgebete der Verzweiflung können gen Himmel geschickt werden. Ein bitteres: „Erbarm dich meiner! Erbarm dich unser!“ Oder ein erschöpftes: „Ich kann nicht mehr.“

Das Kreuz verbindet Himmel und Erde miteinander, aber es verbindet uns auch miteinander. Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Barmherzigkeit und Gott allen Trostes, der uns tröstet in all unserer Bedrängnis, damit wir auch trösten können, steht im Predigttext. Wir können uns gegenseitig trösten durch handfeste Hilfe. Einem Kranken kann man Hühnersuppe kochen. Eine Freundin, die Kummer hat, kann man in den Arm nehmen und sie drücken, bis ihre Rippen knacken. Wir können füreinander beten. Und wir können einander bei der Reparatur einer kaputten Waschmaschine helfen. Das tröstet auch.

Wir sind hinein gestellt in eine Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern, die sich gegenseitig unter die Arme greifen können und einander helfen können. Überrascht und begeistert war ich auf unserer Konfi-Fahrt in Bremerhaven. Ein Junge hatte einen Unfall. Er hat sich im Zimmer der Katechumenen den Kopf aufgeschlagen. Aus einer Platzwunde am Kopf hat er geblutet. Und blitzschnell war Hilfe da! Ein Mädchen aus seiner Gruppe hat Desinfektionsmittel besorgt. Sie ist Ehrenamtliche bei den Maltesern. Und eine Konfi-Helferin hat ihm beherzt einen Kopfverband angelegt. Die Freunde des Verletzten haben sich gesorgt. Brigitte Fenner ist mit ihm ins Krankenhaus gefahren. Und unser Vikar Onyou Kim hat den Jungen in der Nacht betreut und alle zwei Stunden geweckt, um zu überprüfen, ob alles in Ordnung ist. Da haben einige Menschen geholfen und getröstet. Da war ein Katechumene nicht allein mit seiner Wunde und mit seiner Unsicherheit. Da waren Trost und Hilfe mit Händen greifbar.

Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mir, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre. Er hat mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkommen bezahlt und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst; und er bewahrt mich so, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt kann fallen, ja, daß mir alles zu meiner Seligkeit dienen muss. Darum macht er mich auch durch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens gewiss und von Herzen willig und bereit, ihm forthin zu leben. (Heidelberger Katechismus, Frage 1)

Heute feiern wir Abendmahl. Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen, sagt Jesus Christus. Ihr Konfirmandinnen und Konfirmanden feiert das Abendmahl heute zum ersten Mal als Gruppe. Ich wünsche euch, dass ihr immer wieder spürt: Diese Gemeinde hier ist EURE Gemeinde. Ihr befindet euch im Kraftfeld Jesu Christi. Ihr steht unter seinem Schutz. Vermittelt durch das Kreuz könnt ihr Bitten zu Gott senden. Vermittelt durch das Kreuz könnt ihr Kraft tanken, von oben her, aus himmlischer Höhe.

Und später werden wir den neuen Kirchenvorstand verpflichten. Dieser Vorstand ist mir lieb und teuer geworden in den vergangenen Jahren. Ihr seid mir ans Herz gewachsen, alle miteinander! Und auch du, lieber Philipp, wirst bald voll mit dazu gehören. Ich erlebe euch Kirchenälteste wirklich als meine Brüder und Schwestern in Christus. Wir stehen gemeinsam unter seinem Schutz. Wir sind Geschwister, die in seinem Kraftfeld singen und beten. In seinem Namen entscheiden und planen wir. Durch ihn werden wir hoffentlich auch immer wieder getröstet und können uns gegenseitig trösten, wenn es der Einen oder dem Anderen nicht gutgeht.

Wir als ganze Gemeinde und als weltweite Kirche gehören zu Jesus Christus. In seinem Kreuz trägt Gott Kummer und Leid der Welt und auch den Kummer und das Leid von uns Einzelnen. Wir befinden uns in im Machtbereich Jesu Christi. Wir atmen in seinem Energiefeld. Und wer an dieser unerschöpflichen Kraftquelle andockt, kann diese Kraft weiterreichen, vom Himmel herunter, rüber zur Schwester oder dem Bruder.

Pfarrerin Annette Müller

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